REGENSBURG. (obx-medizindirekt) - Sie zappeln unentwegt mit Händen und Füßen, können sich nie längere Zeit auf Spiele oder auf ihre Schulaufgaben konzentrieren. Dabei sind sie oft vorlaut und platzen mit Antworten heraus, bevor eine Frage überhaupt zu Ende gestellt worden ist. Solche Kinder sind eine wahre Tortur. Für Eltern, Geschwister, Kindergarten oder Schule.
Bei der Krankheit, an der in Deutschland nach aktuellen Schätzungen bis zu rund einer halben Million Kinder leiden, handelt es sich nicht um die Folge von Erziehungsfehlern, um ein Intelligenzdefizit oder um böswilliges Verhalten. Die volkstümlich 'Zappelphillipp-Syndrom' genannte Krankheit ist eine Behinderung, ausgelöst durch angeborene und erworbene Veränderungen im Gehirnbotenstoffwechsel.
Offiziell heißt die Krankheit 'Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung' (ADHS). Sie ist gekennzeichnet durch erhebliche Beeinträchtigungen der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit, durch innere Unruhe und unkontrollierte Impulsivität. In jedem fünften Fall leiden die Kinder zugleich an einer Lese- und Rechtschreibschwäche (Legasthenie). Ein Drittel der Kinder muss in der Schule eine Klasse wiederholen, fast die Hälfte wird zeitweilig vom Unterricht ausgeschlossen und jeder zehnte wird schließlich der Schule verwiesen und landet auf der Sonderschule.
Medikamente nicht ohne Begleit-Therapie
Nach heutigem Wissen ist das Zappelphilipp-Syndrom zwar gut behandelbar, aber nicht heilbar. In der Therapie können je nach individuellem Fall Erziehungskonzepte, psychologische Betreuung, Bewegungs- und Verhaltenstherapie kombiniert werden mit der Verabreichung von Medikamenten (Wirkstoff Methylphenidat). Das Medikament aktiviert das Erregungssystem des Stammhirns und führt zur vermehrten Ausschüttung von Botenstoffen wie Dopamin.
Bei der Behandlung von ADHS bei Kindern geht heute die Behandlung mit und ohne Medikamente Hand in Hand. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie hat eine Leitlinie entwickelt, die vor allem ein Ziel hat: Kinder nicht vorschnell und nicht über einen zu langen Zeitraum mit Medikamenten zu behandeln. Vorgeschrieben ist unter anderem, dass die Behandlung erst ohne Arzneimittel beginnen muss.
Die Gabe von Arzneien muss in ein Behandlungskonzept aus psychologischer und psychiatrischer Betreuung eingebunden sein. Darin lernen betroffene Kinder, mit ihren Schwächen umzugehen und seine vorhandenen Fähigkeiten besser zu nutzen. Dadurch wird häufig erreicht, dass sich die schulischen Leistungen verbessern, das Kind von den Mitschülern nicht mehr sozial ausgegrenzt wird und infolgedessen ein gesundes Selbstwertgefühl entwickelt.
Hat mein Kind ADHS?
Wichtig ist, dass die Krankheit exakt und möglichst früh diagnostiziert wird. Eltern fragen sich oft: Wie erkenne ich, dass mein Kind ADHS hat? Ist es oft verträumt und unkonzentriert, gleichen Zimmer, Wohnung und Schultasche eher einem Schlachtfeld, startet der Morgen regelmäßig turbulent und chaotisch, werden Hausaufgaben zur stundenlangen Qual und geht vieles trotz bester Absichten immer wieder schief? Das können Hinweise sein. Wichtig zu wissen ist aber, dass es große individuelle Unterschiede im Erscheinungsbild gibt. Der Kasten fasst wichtige mögliche Verhaltensweisen bei ADHS zusammen.
Typische Verhaltensweisen
* Gefühlsreaktionen sind heftig und unerwartet
* leichte Erregbarkeit
* leicht ablenkbar
* sprunghaft
* ungeschickt bis tölpelhaft
* Regeln werden nicht beachtet
* Vergesslichkeit
* Lernschwierigkeiten
* redet überall dazwischen, kann nicht warten
* handelt impulsiv ohne Nachdenken
* Bewegungen wirken eckig
* redet viel und antwortet auf Fragen, bevor diese beendet sind
* macht viel Lärm, auch beim Sprechen
* erledigt Aufgaben nicht vollständig oder nicht richtig
* trotz überdurchschnittlicher Intelligenz (häufig!) schlechte
Schulleistungen
* übersteigerter Gerechtigkeitssinn
* niedrige Frustrationsschwelle