REGENSBURG. (obx) - Gehörerkrankungen entwickeln sich in Deutschland und auch weltweit zur Volkskrankheit. Allein rund 14 Millionen Bundesbürger leiden heute an Hörproblemen: Tinnitus (Ohrgeräusche), Schwerhörigkeit, Geräuschüberempfindlichkeit, Hörverzerrung, Druck im Ohr, Hörsturz und Schwindel/Morbus Menière. Ursache für die zunehmenden Erkrankungszahlen ist die wachsende 'akustische Umweltverschmutzung', also ein in Summe ständig zunehmender Lärmpegel, sagen Fachleute.
Tinnitus, also störende Geräusche, gelten als am stärksten wachsendes Ohrleiden unseres Jahrzehnts. Regensburger Forscher koordinieren künftig die Anstrengungen von zwölf europäischen Projektpartnern, um Betroffenen Linderung zu verschaffen.
Weltweit, schätzen Experten, könnten bis zu zehn Prozent der Weltbevölkerung betroffen sein. Die Entwicklung ist dramatisch: Bei etwa einem Prozent der Bevölkerung haben die Ohrgeräusche schwerwiegende Beeinträchtigungen zur Folge. Diese machen ein normales Leben schwer bis unmöglich. Der Patient kann dann den Leidensdruck ohne professionelle Hilfe nicht mehr bewältigen. Mit rund vier Millionen Euro fördert die Europäische Union in den kommenden vier Jahren die fächerübergreifende Tinnitusforschung mit dem Programm ESIT, European School for Interdisciplinary Tinnitus Research.
Regensburg gehört auf dem Gebiet der Tinnitusforschung zu den Pionieren. Bereits 2001 entstand am Universitätsklinikum Regensburg ein eigenes Tinnituszentrum. Das Ziel von der ersten Stunde an: Patienten besser zu behandeln und auf der Basis neurowissenschaftlicher Erkenntnisse neue Methoden zur Therapie des chronischen Tinnitus zu entwickeln. Dieses Zentrum vereint nach Hochschulangaben viel Kompetenz in Forschung, Diagnostik und Therapie von Tinnitus-Erkrankungen durch die enge Zusammenarbeit der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des Universitätsklinikums Regensburg und der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg am Bezirksklinikum Regensburg.
Mit der Gründung einer eigenen Forschungsinitiative, der Tinnitus Research Initiative (TRI), treibt das Zentrum heute die zunehmende internationale Vernetzung der wissenschaftlichen Aktivitäten voran. Seit zehn Jahren ist Regensburg zudem auch Sitz des Fördervereins 'Deutsche Tinnitusforschungsinitiative e. V.', der Betroffene unterstützt und ebenfalls den störenden 'Mann im Ohr' erforscht.
Jetzt gelang den ostbayerischen Wissenschaftlern mit dem Förderbescheid der EU der große Durchbruch: zwölf Partner aus zehn Ländern sind beteiligt, es entstehen 15 neue Doktorandenstellen. Initiatoren des Projekts: Professor Dr. Berthold Langguth, Chefarzt des Tinnituszentrums an der Uni Regensburg, und Dr. Winfried Schlee von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg am Bezirksklinikum. Auch die Bayerische Forschungsallianz schob kräftig mit an.
Zu den europäischen Projektpartnern, die von Regensburg aus koordiniert werden, gehören unter anderem die Universitäten von Nottingham in England, Groningen und Maastricht in den Niederlanden und Zürich in der Schweiz. Beteiligt sind auch Forscher in Salzburg, im polnischen Lodz und in der schwedischen Hauptstadt Stockholm. Ein Forschungsschwerpunkt wird dabei nach Angaben der Uni Regensburg künftig auch die Frage nach dem Zusammenhang von Tinnitus mit Depression, Angst und Schlafstörungen.