Aktuelles aus Amberg-Sulzbach

Barocke Festspiele in Sulzbach-Rosenberg

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SULZBACH-ROSENBERG. Kultur gewinnt gerade in heutiger Zeit immens an Bedeutung. Sie entwickelt sich immer mehr zu einem Motor städtischer Entwicklung. Die Besinnung auf die eigenen Werte, die eigenen Leistungen einer Stadt und ihrer Region, historisch und aktuell, mobilisiert Kraftreserven für die Herausforderungen der Zukunft. Mit dem großen Erfolg der Knorr von Rosenroth-Festspiele 2007 und 2010 wurde eine Veranstaltungsreihe mit hohem Anspruch, Professionalität und europäischer Dimension in Sulzbach-Rosenberg verankert.

 

Hintergrund: Sulzbach war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein europäisches Kulturzentrum, das Gelehrte aus ganz Europa anzog. Selbst der Philosoph Leibniz fuhr dorthin, um sich mit Christian Knorr von Rosenroth (1636-1689) auszutauschen. Die Politik des Herzogs Christian August und seines Kanzlers Christian Knorr von Rosenroth hatte nach dem 30jährigen Krieg das Ziel, den sozialen Frieden nicht durch Separation, sondern durch Integration zu wahren. Herzog und Kanzler förderten daher das Zusammenleben von Menschen verschiedener Konfessionen. Das Simultaneum, eine Kirche für Protestanten und Katholiken sollte den Menschen bewusst machen, dass sie ein und denselben Gott anbeten. Auch Juden wurde die Niederlassung und die freie Berufsausübung ermöglicht, wodurch Sulzbach besondere Bedeutung als Stadt des Buchdrucks, speziell jüdischer Texte, in Europa erlangte.

 

Christian Knorr von Rosenroth war als Dichter und Universalgelehrter Vermittler europäischen Gedankengutes in Deutschland und zugleich Vermittler christlicher und jüdischer Traditionen unter den Gelehrten Europas. Seine Schriften zu den Evangelien und den kabbalistischen Texten fanden Resonanz besonders in England und in den Niederlanden. Seine geistlichen Lieder, allen voran „Morgen-Glanz der Ewigkeit“, werden bis heute im Gottesdienst gesungen. Seine naturwissenschaftlichen Studien, die Publikationen von kommentierten Übersetzungen bedeutender Naturforscher und Philosophen aus den Niederlanden, England, Italien und Frankreich trugen dazu bei, dass die deutsche Sprache der Naturwissenschaften (besonders auf dem Gebiet der Medizin, Chemie und Botanik) eine beachtliche Entwicklung erlebte. Christian Knorr von Rosenroth war ein außerordentlich gebildeter, kluger und talentierter Dichter, der neben einer Vielzahl poetischer Texte auch Theaterstücke verfasste. U.a. ein Festspiel zur Hochzeit Kaiser Leopolds I., das eine Friedensutopie entwarf, die Frieden, Wissen und Bildung als Wege des Fortschritts skizzierte.

 

Im ersten Jahr der Festspiele 2007 kam, passend zum Namensgeber, das von ihm selbst verfasste Theaterstück „Conjugium Phoebi und Palladis oder Die durch Phoebi und Palladis Vermählung erfundene Fortpflantzung des Goldes“ zur Aufführung.

Das Festspiel schrieb Knorr zur Hochzeit des österreichischen Kaiser Leopold I. mit der Pfalzgräfin Eleonora Magdalena Theresia. Dabei handelte es sich sogar um eine Welturaufführung.

 

2010 folgte die zweite Auflage der Festspiele, mit einem neuen Stück, das Singspiel „Theseus unter seinen Liebhaberinnen“ von dem Nürnberger Komponisten Johann Löhner. In Sulzbach erklang das Stück bereits schon einmal 1692. Anlass war die Vermählung und Heimführung von Theodor Eustach, Sohn des Sulzbacher Pfalzgrafen Christian August und dessen Erbfolger, mit Prinzessin Maria Eleonora von Hessen Rheinfels-Rothenburg. Löhner begleitete die Aufführung auf dem Cembalo. Für das Singspiel wurde eigens ein fürstliches Theater eingerichtet. Unter Experten gilt die Aufführung des „Theseus“ als musikalischer Höhepunkt sowohl der Sulzbacher Hofmusik, als auch der Nürnberger Opernproduktion im 17. Jahrhundert. In beiden Jahren übernahm Charlotte Knobloch, die damalige Präsidentin des Zentralrats der Juden die Schirmherrschaft. Damit unterstrich sie ein Grundanliegen der Festspiele, auf die Toleranz zu verweisen die damals vom Sulzbacher Hof europaweit ausstrahlte.

 

 

Die Knorr-von Rosenroth Festspiele 2015 lassen die glanzvolle Barockzeit des 17. Jahrhunderts in Sulzbach-Rosenberg, der „Herzogstadt mit Flair“, wieder lebendig werden. Das barocke Lustspiel „Die Vermählung Christi mit der Seele oder Glück und Liebe auf Mallorca“, aus der Feder von Knorr von Rosenroth selbst, steht im Mittelpunkt des Festspieljahres. Die Handlung spielt auf Mallorca. Die Personen sind allesamt von exotischer Herkunft. Sie sind verstrickt in verschmähte Liebesbeziehungen, Entführung, Schiffbruch, Mord und versuchten Selbstmord. Rachsüchtige Geliebte, in Männer verkleidete Frauen, Scheintote und etliche Geister treten auf. Am Ende gibt es ein glückliches Wiedererkennen und sogar eine Doppelhochzeit. Der ganze Sulzbacher Hof spielt mit. Mitglieder der herzoglichen Familie, hochgestellte Persönlichkeiten der Administration, sowie Bürgerinnen, Bürger und Kinder aus dem Volk stehen als Schauspieler und Sänger im Schlosshof auf der herzoglichen Hofbühne. Balletttänzerinnen und -tänzer, sowie eine Zigeunergruppe bereichern das Ensemble. Mit Musik aus dem Orient, mit sephardischen Klängen der spanischen Juden und europäischer Barockmusik begleitet die Capella Rosa Rossa die Zuschauer in das arabisch geprägte Andalusien. Und der Hofkanzler, Gelehrte und Dichter Baron Christian Knorr von Rosenroth höchstpersönlich führt durch sein Werk. Die Präsidentin der internationalen Knorr von Rosenroth - Gesellschaft Prof. Dr. Rosmarie Zeller schreibt über das Stück: „Durch die Verweise auf die antike Philosophie und das arabische Kostüm ist Knorrs Lustspiel Ausdruck der am Sulzbacher Hof herrschenden Toleranz.“

 

Handlung:

Fürst Dahar der Herrscher von Granada ist einzig und allein auf Reichtum und Macht versessen. In demselben Granada wachsen der junge Fürst Fadil, sein Freund Mamsuh der Königssohn von der Insel Mallorca, Nasima und Adibe auf. Fürst Dahar will Nasima unbedingt allein für sich gewinnen. Sie jedoch verlobt sich mit Fadil und als Fadil sie dann auch noch heimlich an seinen Freund Mamsuh abtritt, verbannt der Fürst Dahar den Fadil aus Granada und zieht alle seine Güter ein. Der Königssohn Mamsuh verlobt sich darauf mit der ihm widerstrebenden Nasima und schickt sie voraus zu seinem Vater, dem König Almelic, Herrscher auf Mallorca. Auf der Überfahrt wird Nasima von Piraten entführt. Sie kann jedoch bei einem Schiffbruch nach schrecklichem Sturm entfliehen und strandet wie durch ein Wunder an der Küste von Mallorca. Dort trifft sie zuerst auf Adibe, die ebenfalls in Fadil verliebt ist. Als Mann verkleidet folgt Adibe heimlich dem verbannten Fadil, der inzwischen als Einsiedler in einer Höhle auf Mallorca versteckt lebt. Nasima gesteht Adibe, dass sie auf der Suche nach eben diesem Fadil ist um sich an ihm zu rächen, da er Schande über sie gebracht hat, als er ohne ihr Wissen die Verlobung mit ihr löste und sie seinem Freund Mamsuh überließ. Auch Mamsuh ist, nach erfolgloser Such nach Nasima, in das Königreich seines Vaters, nach Mallorca zurückgekehrt. Es ist die Zeit, dass sein Vater, König Almelic, ihm die Herrschaft übergeben will.

 

Fürst Dahar hat inzwischen die böse Zauberin Ginni und ihre Helfer ausgesandt um ebenfalls nach der Nasima zu suchen und das Versteck des Fadil aufzuspüren. Als schließlich Ginni die Nasima entdeckt, verrät sie ihr hinterhältig wo sich ihr ehemaliger Verlobter Fadil aufhält, damit sie sich endlich an ihm rächen kann. Adibe jedoch will das verhindern und gibt Nasima einen besonderen Dolch, dessen Klinge bei Berührung in sich zurückgeht. Endlich findet Nasima den Fadil, der gerade schläft. Sie sticht mit dem falschen Dolch so heftig zu, dass Fadil zunächst ohnmächtig wird. Nachdem er aber zu sich gekommen ist begegnet er Nasima, die ihn für einen Geist hält. Er erklärt ihr, dass er sie nur aus übergroßer Fürsorge um sie dem Mamsuh überlassen hat. Am Ende kann er sie überzeugen und Nasima, die ihn immer noch für einen Geist hält, will nun ebenfalls sterben um sich mit ihm wenigstens im Tode zu vereinen und stürzt sich von einer Klippe ins Meer. Fadil springt ihr nach und rettet sie. Inzwischen wird nun Adibe so sehr von Dahar, der auch auf Mallorca eingetroffen ist, bedrängt, dass sie keine andere Möglichkeit mehr sieht, als ihn aus Notwehr umzubringen.

 

Gerade an dem Tag als König Almelic die Herrschaft an seinen Sohn übergeben will, wird die Leiche des ermordeten Dahar gefunden. Fadil, der sich zufällig bei ihr aufhält wird fest genommen. Als sich Fadil zu der Tat bekennen will, wird auch Nasima vorgeführt. Auch sie gibt vor den Dahar ermordet zu haben. Schließlich erscheint der Königssohn Mamsuh vor dem Richter und als er Fadil und Nasima erkennt, will er der Mörder des Fürsten Dahar gewesen sein, um beide zu schützen und zu retten. Der Richter weiß keinen anderen Rat, als auf dasjenige Herz zu hören, das am meisten in Unruhe ist. Er befiehlt zu prüfen wie bei jedem von den dreien das Herz schlägt. Zur großen Verwunderung von allen wird dabei bei Fadil und Nasima ein seltenes Muttermahl entdeckt. Es stellt sich heraus, dass sie beide die Zwillinge der Fürstin Mamlaca sind, von denen Nasima in ihrer Jugend verloren gegangen ist.

 

Als jetzt auch König Almelic erscheint um die wunderbare Sache zu bestaunen, kommt dazu die wahre Mörderin des Fürsten Dahar, die Adibe, die schließlich den ganzen Hergang aufklären kann. Somit lösen sich alle Verwirrungen in Wohlgefallen auf und König Almelic übergibt seinem Sohn Mamsuh die Hand der Fürstin Nasima und die Hand der Adibe dem Fürsten Fadil. Die einzelnen Szenen werden mit Gesang und Tänzen allegorischer Figuren begleitet: es erscheinen die Tugend, das Unglück, die List, die Unsterblichkeit, die Keuschheit, die Freundschaft, die Liebe und viele andere mehr. Und die Capella Rosa Rossa entführt die Zuschauer in das damals arabisch geprägte Andalusien mit Musik des Orients, mit sephardischen Klängen der spanischen Juden und europäischer Barockmusik.

 

Knorr schrieb das Stück als Auftragswerk für den Coburger Hof. Dort wurde es im Januar 1685 zum Geburtstag der Herzogin Marie Elisabeth aufgeführt.

Knorr hat es im Anhang zu seiner Liedersammlung „Der neue Helicon“ publiziert.

 

Aufführungen: Freitag, 10.07.2015 Premiere, weitere Aufführungen: 11./12./17./18./19.07.15, jeweils 20:00 Uhr auf der Herzoglichen Hofbühne im Schlosshof.

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