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Indien in Österreich

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VOHENSTRAUSS (gg). Sie können sich zwar nicht ausstehen, doch sie verbindet eine undankbare Aufgabe: Im Auftrag der Tourismusbehörde reisen sie durch die österreichische Provinz, von einem Gasthaus zum nächsten, um im Akkord die Beschaffenheit von Schnitzeln, Duschköpfen und Feuerschutztüren zu überprüfen. Einerseits der blasierte Erbsenzähler Heinz Bösel (Florian Wein) mit Aktenkoffer, der mit schlauem Gerede und einem unangenehmen Drang zu Monologen seinen Reisegenossen berieselt und auf ihn herabsieht.

 

[i]Ein Bericht von Gabriele Glaubitz.[/i]

 

Anderseits der einfach gestrickte, etwas derbe Kurt Fellner (Bernhard Neumann), dem diese überkandidelte Art auf die Nerven geht, weil der Kollege absolut nicht 'die Bappm haltn' kann, und diese auch schon mal mit deftigen Ausdrücken (geh scheiß'n, Arschgeigerl), kommentiert. Beide natürlich in schönstem Österreichisch. Dazwischen mimt Reinhard Hartwig den wortkargen Wirt, der froh wäre, wenn das Gespann wieder ginge.

 

Schauerlich altmodisch das Bühnenbild: Da hängen ausgestopfte Vögel und sonstiges Getier an der Wand, geschmackloses Interieur unterstreicht die Spießigkeit der verschiedenen Gaststätten, die nur durch den Wechsel der jeweiligen Plastiktischdecken auf der Bühne entstehen. Immer wieder zieht Bösel Vergleiche zu Indien, etwa über das Essen dort, während Fellner über die Schnitzel schimpft und sich den Magen verdirbt. Dafür muss Bösel im nächsten Wirtshaus das Essen testen, das ihm sein Kollege aber rücksichtslos mit ekligen Erzählungen über Eiter, altes Fett, Schmalzbrot und rohen Fisch gründlich verdirbt. Man sieht: Ein Traumteam. Dazwischen nörgelt Fellner über seine dicke Frau, die er eigentlich hasst. Sie erzählen nebeneinander her, keiner hört dem anderen richtig zu, und oft schießen die Gespräche richtig ins Kraut. Dass daraus nochmal so etwas wie Freundschaft werden könnte, glaubt keiner der Zuschauer bis zur Pause. Doch Alkohol und die untreue Freundin von Fellner helfen dem nach, so dass sie sich plötzlich 'Heinzi' und 'Kurti' nennen.

Leider zu spät, wie sie wenig später wissen. Heinze muss ins Krankenhaus. Altbau, kurz vor dem Abbruch, er ist der einzige und letzte Patient dort, allein gelassen durch das Pflegepersonal. Ohrenbetäubender Presslufthammerlärm stört jede Unterhaltung. Heinzi hat Hodenkrebs. 'Ich dachte immer -er- ist zu groß, dabei war nur meine Hose zu eng' schlussfolgert er naiv. Dass sein Freund nur noch zwei Wochen zu leben hat, animiert den schockierten, unbeholfenen Freund, ihm noch schnell alles möglich zu machen, was er im Leben versäumt hat. Orgel spielen zum Beispiel. Fellner schleppt ein Keyboard ans Krankenbett. Und wälzt dabei albern-absurde Gedanken, wie: In Indien gibt es doch die Wiedergeburt…

 

Till Rickelt hat diese Tragikomödie, im Original von Alfred Dorfer und Josef Hader, dicht und zeitlos in Szene gesetzt. Die Zuschauer fühlen mit, empfinden ebenso die Lästigkeit der Dialoge zwischen den Protagonisten, wie die Dramatik in dem Abbruchkrankenhaus, wo Heinzi völlig isoliert und durch einen abweisend schweigenden Arzt (wieder Reinhard Hartwig) seinem Schicksal überlassen wird, das er sich noch schön zu reden versucht. Und schließlich in den Armen seines neu gewonnenen Freundes stirbt. Dessen letzte Weisheit geht wieder in dröhnendem Presslufthammerknattern unter. Ein berührendes Ende, das Schweigen im Zuschauerraum verursacht, bevor begeisterter Applaus die Stille ablöst.

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