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Leistungsträger mit Handicap

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REGENSBURG. Ein Handicap gleicht beim Golfen das Können der Kontrahenten aus. Beim Handicap im Berufsleben müssen die Unternehmen nicht viel tun, damit behinderte Mitarbeiter viel leisten können. Das zeigte eine Veranstaltung am Mittwoch in der IHK Regensburg, bei der sich Unternehmerinnen und Unternehmer über die Einstellung von Mitarbeitern mit Behinderung informierten.

 

Tipps gaben die Fachkräfteberater von IHK und Handwerkskammer sowie die Expertin Andrea Seeger von der Access gGmbH, die das Matching zwischen Betrieb und solchen Menschen begleitet. Zu den Experten des Projekts „Regensburg Inklusiv“ sowie regionaler Ämter und Behörden konnten die Firmen direkten Kontakt aufnehmen. Die informierten über Förderung und motivierten zu Praktika, Ausbildungsplätzen und Stellen für Menschen mit Behinderungen.

 

Im Bewerbungsgespräch „behindert“

 

Rund 15 Bewerbungsgespräche führte Leonie Glaab, bis sie ein Angebot für eine Ausbildung bekam. Das mag man gar nicht glauben, wenn man die selbstbewusste junge Frau auf dem Podium in der IHK reden hört. „So ein Bewerbungsgespräch lief immer super, bis zum Zeitpunkt, an dem ich erwähnte, dass ich eine Behinderung habe. Ich spürte, dass mein Gegenüber damit nichts anfangen konnte und verlor dann auch den Mut.“ Ihr jetziger Chef Darius Farahmand reagierte anders: „Der war eigentlich ganz locker und gechillt, als ich ihm das sagte.“ Der Geschäftsführer der Office Solutions Fleischhauer GmbH in Regensburg hatte das Potenzial der jungen Frau erkannt, der man ihre Behinderung nicht anmerkt und die bald ihre Ausbildung zur Kauffrau fürs Büromanagement abschließen wird.

 

Ein Hörgerät und ein spezielles Telefon, mehr brauchte der Ausbildungsbetrieb nicht, um das Handicap seiner Azubi zu kompensieren. Dabei wurde die Firma von öffentlicher Stelle gefördert. Mit dem Spezialtelefon kann Leonie Glaab störende Umgebungsgeräusche ausblenden und problemlos Anfragen der Kunden beantworten. In der Schule hatte sie sich nie konzentrieren können, wenn im Klassenzimmer die Stimmen hin und her gingen. „Darauf hatte niemand Rücksicht genommen.“ Erst nachdem die Diagnose einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung, kurz AVWS, auf dem Tisch lag, ging man auf ihr Bedürfnis nach Ruhe und wenig Ablenkung ein. Ihr Job im Büro fordert viel Kundenkontakt und macht Leonie Glaab immensen Spaß, auch wenn die Ausbildung zur Kauffrau fürs Büromanagement zweite Wahl war. „Ich wäre gerne Fitnesskauffrau geworden habe mich aber dagegen entschieden: Was wäre, wenn jemand um Hilfe ruft und ich das nicht mitbekomme?“

 

Von seinen 17 Mitarbeitern hat Darius Farahmand vier mit Behinderung unter Vertrag. Der Älteste ist bereits über 60, zu 100 Prozent behindert und dennoch Leistungsträger. „Nehmen Sie diese Menschen wie ganz normale Mitarbeiter, dann läuft das sehr gut“, motiviert der Geschäftsführer andere Unternehmer. Dass Leonie Glaab einen super Job macht, bestätigt ihn darin. In ihrer inklusiven Berufsschule ist Glaab indes die Einzige mit einem Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft. Ihren Chef beeindruckt ihre Bereitschaft zum Pendeln zwischen Berufsschule in Nürnberg, Arbeitsplatz in Regensburg und Wohnort in Schwandorf. „Wer das macht, ist voll motiviert und zeigt das auch bei der Arbeit.“

 

Der Chef muss wollen

 

Johann Jäger hat selbst einen kleinen Bruder mit Down-Syndrom. „In die Schule ist er sehr gut integriert. Doch danach soll er ins Arbeitsleben starten können“, erklärt der junge Geschäftsführer der Jäger Metallverarbeitung GmbH, warum es für den Familienbetrieb wichtig ist, heute zwei Angestellte mit Behinderung zu beschäftigen.

 

Kevin Häusler ist einer davon. Er lernte in den gemeinnützigen Regensburger Werkstätten und freut sich darüber, in der freien Wirtschaft angekommen zu sein. Beim Praktikum konnte er die Firma überzeugen und ist heute in der Metallverarbeitung tätig. Mitarbeiter mit Behinderung, was braucht es dafür? „Alle unsere 35 Leute im Betrieb stehen dahinter. Ich glaube das ist die Grundvoraussetzung“, sagt Jäger. Begünstigt werde der Einsatz durch ein gewisses Maß an Serienarbeit und den festen Willen der Geschäftsleitung, diese Mitarbeiter zu fördern.

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