REGENSBURG. (obx) - Ein Fünftel aller Lehrstellen im bayerischen Handwerk bleibt heute unbesetzt. In den nächsten Jahren wird sich der Nachwuchsmangel nach allen vorliegenden Prognosen weiter verschärfen. Mit neuen Initiativen will Ostbayerns Handwerk jetzt zum Vorreiter im Kampf gegen den Nachwuchsmangel werden. 'Uns geht es vor allem darum, junge Menschen und insbesondere auch Eltern und Lehrer wieder für Handwerksberufe zu begeistern.
Damit lassen sich neue Potenziale für den Ausbildungsmarkt aktivieren', sagt Dr. Georg Haber, der Präsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz. Die drittgrößte Handwerkskammer in Deutschland vertritt 36.000 Betriebe mit einem Jahresumsatz von rund 24 Milliarden Euro und mehr als 200.000 Beschäftigten.
Bei der Suche nach neuen Wegen im Kampf gegen den Nachwuchsmangel in Deutschlands Handwerksbetrieben sind die ostbayerischen Kammervertreter in Österreich fündig geworden: Dort gibt es eine spezielle Form des Gymnasiums, in dem gleichzeitig mit dem Abitur eine Gesellenprüfung abgelegt wird. 'Ein solches duales Gymnasium nach österreichischem Vorbild brauchen wir auch in Bayern', sagt Handwerks-Präsident Dr. Haber.
Potenzial sieht das ostbayerische Handwerk auch in den jugendlichen Flüchtlingen, die in den Freistaat kommen. Die Handwerkskammer unterstützt Betriebe bei der Besetzung ihrer Ausbildungsplätze. 'Jugendliche Flüchtlinge eine interessante Zielgruppe für das Handwerk', sagt Präsident Dr. Haber.
Integration junger Flüchtlinge
Die Rückmeldungen der Betriebe auf das Angebot ist nach Angaben der Kammer ausgesprochen positiv: In einer groß angelegten Umfrage hätten 900 Unternehmen Interesse geäußert, einem Flüchtling in den nächsten Jahren eine Praktikums- oder Lehrstelle anzubieten, heißt es. In der Praxis gibt es aber noch vor allem bürokratische Hürden. 'Die Bereitschaft der Betriebe ist da, was derzeit allerdings fehlt, ist eine klare Perspektive', beklagt der ostbayerische Handwerkspräsident. Das liegt vor allem am oftmals ungeklärten Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge. Unternehmer und Auszubildende bräuchten Sicherheit und Verlässlichkeit.
Das ostbayerische Handwerk begrüßt die jetzt vom bayerischen Innenministerium vorgelegten Anweisungen: Danach können Asylberber mit Beginn einer Berufsausbildung auf ein fünfjähriges Bleiberecht vertrauen, sofern sie sich gesellschaftlich integrieren und nicht straffällig werden. 'Danach könnten die Fachkräfte in ihrer Heimat einen hervorragenden Beitrag zum Wiederaufbau ihres Landes leisten, wenn die Voraussetzungen gegeben sind', so Dr. Haber.
Handwerker haben bessere Berufschancen als viele Akademiker
Zu schaffen macht Bayerns Handwerk nach wie vor die zunehmende Akademisierung. Immer mehr junge Leute entscheiden sich für ein Studium statt für eine Ausbildung im Handwerk, obwohl die Zukunftsaussichten dort oftmals viel besser seien, sagt der ostbayerische Handwerkspräsident. 'Oftmals liegt das auch daran, dass die jungen Leute die vielfältigen Perspektiven in den über 130 Ausbildungsberufen des Handwerks gar nicht kennen', so Dr. Haber, der seit einem Jahr an der Spitze der Kammer steht.
Er will das jetzt ändern und hat eine Initiative gestartet, um zukünftig in allen bayerischen Schulen - besonders auch in Realschulen und Gymnasium - Angebote zur Berufsorientierung verpflichtend auf den Lehrplan zu setzen. Bisher gibt es nur an Mittelschulen eine verpflichtende praktische Berufsorientierung. 'Im Schulkontext hätten die Jugendlichen die Möglichkeit, ihre Potenziale zu entdecken und zu erproben', sagt Ostbayerns Handwerks-Präsident.