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Rock im Park mit Sonne, Regen und viel Feuer – Wetter-Apps versagen ihren Dienst

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NÜRNBERG. Viele Höhen und ein paar wenige Tiefen hatten am vergangenen Wochenende wieder die Zwillingsfestivals Rock im Park und Rock am Ring zu bieten. Die schlechteste Nachricht zuerst: Am Freitag Abend musste der Auftritt von Rammstein bei Rock am Ring aufgrund einer Bombenwarnung abgesagt werden. Noch in der Nacht und dann wieder vom frühen Morgen an durchsuchten Hunderte Polizisten mit Sprengstoffhunden das Gelände. Es wurde befürchtet, dass ein Aufbauhelfer heimlich eine Bombe platziert haben könnte. Zum Glück konnte der Verdacht nicht bestätigt werden und das Festival ging ab Samstag Mittag weiter.

Ein Bericht von unserem Mitarbeiter Winni Rudrof.

Veranstalter Marek Lieberberg, der in dieser Nacht wahrscheinlich um Jahrzehnte gealtert war, lobte die Festival-Besucher mit den Worten „Das Verhalten war von Toleranz, Verständnis und Friedfertigkeit geprägt. Wir haben ein Zeichen für unsere Kultur gesetzt“. Auch bei Rock im Park wurden am Montag Abend nach dem Festival die Besucher seitens des Polizeisprechers gelobt, die 85000 Rock-Fans hätten sich vorbildlich friedlich verhalten. Friede, Freude, Eierkuchen und großteils gutes Wetter, das war Rock im Park 2017.

 

Wie im Jahr zuvor waren am Freitag die Netze überlastet da jeder Rock-im-Park-Besucher aufmerksam die Wetter-Apps auf seinem Handy beobachtete. Notiz am Rande und Aufruf an alle aufgeweckten App-Programmierer: Noch nie lagen so viele Voraussagen falsch wie an diesem Wochenende. Nachmittags stand auf den Displays „28 Grad und Sonne“ während die meisten vor Regen und Hagel Unterschlupf suchten. Stunden später wurde akut vor Unwettern mit schweren Gewittern gewarnt während in der Realität die Menschen ihre Körper mit Sonnencreme und Hüten vor dem klaren Sonnenschein bei 30 Grad schützten. Wahrscheinlich sind die grünen, analogen Wetterfrösche doch noch die besseren Orakel. Während auf der Park-Stage allerlei Hip-Hop-Acts wie Haiyti oder Machine Gun Kelly eine astreine Open-Air-Plattenparty ablieferten, zog es das Rock-Publikum zu den Pop-Punkern von Sum 41. Die Jungs spielen ihren lustigen Skate-Punk schon seit vielen Jahren und auch heute sind sie ein gutes Warm-Up für einen sonnigen Festival-Tag. Diese gute Laune kann nur eine Band toppen: Die Beatsteaks aus Berlin sind als Co-Headliner genau richtig positioniert und für mach einen Besucher sogar der heimliche Haupt-Act am Freitag. Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß ist ein Entertainer wie er im Buche steht: Er bedient während des Singens allerlei Instrumente, springt wie ein Gummiball über die Bühne und tanzt sogar mit einem weiblichen Fan, der es auf die Bühne geschafft hat. Auch die Band ist voller Spielfreude, covert gelungen „Ace of Spades“ von Motörhead und animiert das Publikum zum Mitsingen bei Hits wie „Hand in Hand“, „Hey Joe“ oder „I don't care as long as I sing“. Die Toten Hosen haben es nach so einem energetischen Kracher etwas schwer um in Tritt zu kommen.

 

Natürlich haben Campino und Co. mehr bekannte Songs in Gepäck als ein Teenie Pickel im Gesicht aber ihre letzten Alben hatten schon den einen oder anderen Schlager auf der Trackliste, was nicht bei allen hartgesottenen Rockern gut ankommt. Trotzdem stimmen am Ende Klassiker wie „Alex“ oder „Opel-Gang“ versöhnlich und die Fans stimmen in allgemeinen „Kenne ich doch von früher“-Gesang ein. Auf der Parkstage geben die Beginner derweil Vollgas und schmettern Partykracher wie „Füchse“, „Fäule“ oder Liebes Lied“ ins feiernde Volk. Jan Deelay ist dabei ganz klar der Mittelpunkt des Hip-Hop-Trios; sind die Beginner schon bekannt trägt er mit seiner jahrelangen Solokarriere zur noch größeren Popularität der Band bei. Als Betthupferl drehen in der Alternarena Pierce the Veil nochmal stark an der Emocore-Schraube. Ihre Songs und ihre Konfetti-Kanonenshow sind unterhaltsam, können aber nicht aus der Songwriting-Mittelklasse ausbrechen. Noch ein Feierabend-Bierchen an der Strandbar und der Freitag endet im wohlverdienten Festival-Zelt. Der Festival-Samstag beginnt so wie fast alle Samstage bei Rock im Park: die Sonne wird von Dauerregen und sogar einem kleinen Hagelschauer verdrängt, lässt sich aber nach einer Stunde endlich wieder blicken und nach einer kurzen Katzenwäsche und einem ausgiebigen Frühstück lädt die Band Airbourne auf der Hauptbühne zur ersten Rock-Sause des Tages. Nicht zu unrecht werden sie von Kritikern als „ACDC 2.0“ gelobt. Ihr Sound ist dem ihrer australischen Kollegen sehr ähnlich; simple aber knackig gespielte Riffs treffen auf rauen Gesang und Group-shouts. In Sachen Show greifen die Musiker ganz tief in die Rockstar-Trickkiste: Meterhohe Marshall-Amps als Kulisse, die Gitarren werden zu Anheiz-Zeigefingern umfunktioniert und jedes Mädel, das von der Kamera eingefangen wird, wird von Frontmann Joel O’Keeffe lauthals zum strippen animiert. Gänsehaut-Moment im Set: Dem kürzlich verstorbenen Motörhead-Kopf Lemmy Kilmister wird ein Song gewidmet, da er in einem Musikvideo der Band mitgespielt hat. Deutlich weniger aufregend für das Auge, aber nicht minder lecker für die Ohren, spielen die darauf folgenden Alter Bridge. Die Rock-Grunge-Band rund um Mitglieder der ehemaligen Creed und Slash's-Touring Band überzeugen mit druckvollem Rock mit Grunge-Anleihen. Ihr Sänger Miles Kennedy ist dabei ganz klar das Aushängeschild der Formation: Obwohl er zwischen den Songs eher wortkarg daherkommt ist er gerade wegen seines Understatements ein sehr sympathischer Frontmann. Technisch beeindruckend ist sein Gesangssprektrum, welches von tief bis „Chris-Cornell-Hoch“ reicht.

 

Apropos Chris Cornell: Die Co-Headliner Prophets of Rage widmen dem vor wenigen Wochen verstorbenen Sänger anschließend einen ihren Songs, bei dem Sie von Serj Tankian (Front mann von System of a down) unterstützt werden. Nicht wenige Besucher sind von dem Gänsehaut-Moment ergriffen. Der Rest des Sets besteht zu gleichen Teilen aus Songs der Hauptbands der Mitglieder. Die einzelnen Musiker stammen aus den Bands Rage against the machine, Audioslave, Public Enemy und Cypress Hill. Die Prophets of Rage entstanden als Protest-Band in der Zeit als Donald Trump um die Wahl-Krone kämpfte und spielten anfangs auf Anti-Trump-Demos. Da der Zuspruch so groß war beschlossen sie eine Welttournee und ein Album nachzulegen. Dementsprechend klang das komplette Set wie eine druckvoll anschiebende Melange aus Hip Hop und Crossover. Und natürlich wurde mit politischen Messages nicht gespart; allen voran der aktuelle amerikanische Ober-Perückenträger bekam sein Fett ordentlich weg.

In die gleiche politische Kerbe schlägt danach der Headliner System of a down. Seit ihrem Hit-Album „Toxicity“ ist die armenisch-amerikanische Band mit ihrem unvergleichlichen Stilmix aus Rock, Metal, Punk, armenischer Folklore und politischen Texten eine echte Weltmarke. Leider konnte der Front-Mischer den von leise säuselnd bis schrill schreienden Gesang des Frontmanns Serj Tankian nicht gut einfangen, was leider zu einem suboptimalen Hörvergnügen führte. Zum Glück waren tausende von Fans so textsicher dass sie den Gesang von Hits wie „Toxicity“, „Aerials“ oder „Chop Suey“ lauthals übernahmen. Gute Band, gute Songs, alles Gut und ab ins verdiente Bett.

 

Tag drei bei Rock im Park: Die Festival-Besucher werden schon früh morgens mit flächendeckend grauem Himmel und Dauerregen begrüßt. Da hilft nur Zähneputzen, Kaffee und ein Bier-Frühschoppen, um zumindest im Kopf die Sonne erstrahlen zu lassen. Mit festem Schuhwerk und Poncho ausgerüstet geht es zur Park- und dann Haupt-Bühne wo Razz und darauf Sondaschule mit flottem Punk-Indie-Sound die dem Regen trotzenden Frühaufstehern energetische Shows liefern. Das erste Highlight des Tages sind die Reggae-Metaller von Skindread. Ihre Sound-Mischung aus Dub und New-Metal bringt vor allem durch ihren charismatischen Frontmann Benji Webbe die Menge bis in die (wegen des Wetters leider dünn stehenden) letzten Reihen zum Kopfnicken und Tanzen. Schon 2015 wurde die Band aufgrund ihres mitreißenden Auftritts als echter Geheimtipp gehandelt, was ihnen dieses Jahr zurecht einen Slot auf der Hauptbühne bescherte. Deutlich weniger tanzbar, aber dafür Pogo-affiner kam danach der Sound von Five Finger Death Punch aus den Boxen. Der Bandname bezeichnet eine fiktive Kung-Fu-Technik aus dem Film Kill Bill, bei der mittels eines gezielten Schlages mit den fünf Fingerspitzen einer Hand auf die Brust des Gegners dessen Tod herbeigeführt wird. Ähnlich klingt auch der Sound der Band: Messerscharfe Metal- und Industrial-Riffs bohren sich in den Gehörgang und werfen die Rock-Matte druckvoll nach hinten. Das macht Laune und passend dazu begrüßt der Himmel mit gutem Wetter und endlich klarem Sonnenschein. Weg mit dem Regenponcho, her mit einem kühlen Bier und warten auf den Headliner, auf den die meisten Rock-im-Park-Besucher warten. Rammstein sind bekannt für ihren kühlen Industrial, knurrigen deutschen Gesang von Till Lindemann und ihrer monumentalen Feuershow. Vor allem die ist das beeindruckendste an der Band. Meterhohe Flammensäulen schießen während des Auftritts minutenlang aus allen Rohren und überragen teilweise sogar die Hauptbühne. Sogar in der hundertsten Reihe wird teilweise von einer „molligen Lagerfeuerwärme“ berichtet. Das Publikum ist sichtlich hingerissen und singt lauthals die Rammstein-Hymnen „Du hasst“, „Engel“ oder „Ohne dich“ mit.

 

In der Alternarena spielen danach Clutch einen guten Mix aus 70er Rock und Stonerock. Gut performed, aber die darauf als letzte Band agierenden Rival Sons sind noch eine Ecke besser. Vor allem die knackigen Riffs von Gitarrist Scott Holiday verleihen dem Hard-Blues-Rock eine erdige Note die von Anfang an mitreißt. Mit den letzten Tönen von Rival Sons geht ein weiteres Rock-im-Park-Wochenende zu Ende und die Stimmen im Publikum lauten unisono: Rock im Park 2018 - wir sind gerne wieder mit dabei.

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