WEIDEN. (gg) 'Das war schon fast wie Poetry Slam' meint eine junge Zuschauerin. Damit bezeichnet sie den Endlosmonolog zu Anfang des Stückes, als Luther in Trotz und Verzweiflung seinem Vater einen ellenlangen Brief schreibt. Darin versucht er seine Beweggründe darzulegen, weshalb er ins Kloster gehen und Bettelmönch werden muss anstatt die stolze Jurakarriere anzustreben, wie sein Vater hoffte.
Eine großartige Leistung von Schauspieler Julian Struck. Nicht nur dass er die Worte des Briefes mitspricht, ohne Punkt und Komma und in jener schwierigen, altdeutschen Sprache, die zu Zeiten Luthers gesprochen wurde. Spricht von 'Vader', von 'Muder' und vom 'Dod'. Gleichzeitig fühlt man die Verzweiflung und den Zorn, den er dabei ausdrückt, die körperliche wie die geistige Anstrengung, die Luthers Gewissensentscheidung fordert. Sein Vater (Christian Hofmann als Hans Luder) will, dass er heiratet. 'Wir Luthers heiraten immer gut! Immer nach oben!' fordert er von seinem Sohn. Doch Martin wird der Mönch Martinus.
Sehr überzeugend hier auch die Leistung von Claudia Lohmann. Als immer wieder präsente Verführerin stellt sie Luthers Loyalität und Standhaftigkeit auf die Probe. Möchte ihn wegbringen von 'den Theologen und Theolügnern'. Luther jedoch wird nur noch verzweifelter und fühlt sich schuldig. Das erkennt auch sein Beichtvater von Staupitz, Professor an der Universität in Wittenberg. 'Mach Dich nicht sündiger als Du bist!' ermahnt er den sich windenden Luther. Und schickt ihn zum Studium, um später sein Nachfolger zu werden.
In der Rolle des Ablasspredigers Tetzel kommt Lohmann auf die Bühne zurück. Überzeugend fordert er/sie die Menschen auf, Geld zu geben für die Seelen der Verstorbenen. Tetzel ist schließlich der Anlass für die 95 Thesen Luthers, mit denen er die bis dahin geltenden Auffassungen von Kirche, Glaube und Moral reformiert. War der erste Teil des Schauspiels geprägt von Luthers Jugend bis zum Jahr 1517, zeigt das Bühnenbild nach der Pause das Leben des alten Luther im Jahr 1546, diesmal verkörpert von Christian Hofmann, mit Claudia Lohmann als Katharina von Bora. 'Herrn Käthe' hat Martinus es zu verdanken, dass er in Wohlstand leben kann, 'fressen wie die Böhmen und saufen wie die Deutschen'. Allerdings plagen ihn inzwischen Krankheiten, Zweifel und eine gewisse Verbitterung. 'Die Papisten', so werden die Katholischen genannt, sind ihm ebenso verhasst wie Juden und Türken. Julian Struck spielt in diesem Teil einen Verehrer einer Luther-Tochter, der sich aber als Dachdecker ausgibt, um nicht den Zorn des Vaters auf sich zu ziehen. Allerdings nur so lange, bis Luther in einem Dekret auf das Wüsteste über Juden herzieht. Der junge Mann ist katholisch-jüdischer Abstammung, sein Name ist Pius Rosenkranz, und er zieht die Konsequenzen.
John von Düffel hat mit der Dramaturgie dieses Dreipersonenstücks Zeichen gesetzt, die Till Rickelt großartig umgesetzt hat. Der junge Luther, dessen Lebensweg sich durch ein Gelübte während eines Gewitters radikal ändert, kämpft. Mit sich und den Zweifeln an sich, mit Rechtfertigungen, gegen die Verführungsversuche einer Frau, schließlich mit seinen Erkenntnissen zum Ablasshandel. Und der alte Luther kämpft ebenso. Mit seiner Gegenwart und Vergangenheit, gegen Krankheiten, seine Gegner. Das ganze Stück hebt sich positiv ab gegen so manchen Glorifizierungsfilm über die Legende Luther und zeigt ihn als Mensch mit all seinen Schwächen. Das karg zurückhaltende Bühnenbild lässt die Handlung, ganz nah am Zuschauer, umso eindringlicher wirken. Der begeisterte Beifall und die Bravorufe zum Schluss waren verdient.
Die Darsteller:
Julian Struck: Der junge Luther / der Student Pius Rosenkranz
Christian Hofmann: Luthers Vater 'Hans Luder'/ von Staupitz / Der alte Luther
Claudia Lohmann: Die Frau, die versucht ihn zu verführen / Tetzel / Katharina von Bora